Wacken Open Air – was hat Heavy Metal mit Jugendmedienkultur zu tun?

75.000 Besucher aus aller Welt finden in jedem Jahr den Weg nach Norddeutschland, dem weltweit größten Heav-Metal-Festival. Wacken und Jugend, das klingt für viele unmöglich – ist es aber nicht. Das im kommenden Jahr 30 Jahre bestehende Metalfestival ist vor allem in der Generation „50“ bekannt und beliebt. Wer jetzt schon so lange dabei ist, war zur Wackengründungszeit in den 90iger Jahren runde 20 Jahre alt. Und wie steht es um die Generation 20 heute?

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Wacken 2018: offiziell 75.000 Besucher, über 200 Bandauftritte & mehr

Auf junge Erwachsene strömen in der heutigen Zeit viele multimediale Inhalte ein. Soziale Netzwerke bieten Austausch und Kontakte mit Gleichgesinnten, Vlogs präsentieren Aktuelles schneller als jeder TV-Sender, Suchmaschinen spucken alles aus, was man wissen möchte, Blogs entstehen zu quasi jedem Thema, Streamingportale bieten Live-Musik und viel mehr – jeder ist top informiert, die technischen Möglichkeiten schier grenzenlos. All dies finden wir auch auf einem modernen und somit zeitgemäßen Heavy-Metal-Festival wie dem in Wacken. Wer hätte vor einigen Jahren schon Stände gebraucht, die mit der Dienstleistung „ Wir laden Dein Smartphone auf“ präsent sind? Niemand – heute werden in Sekunden millionenfach Fotos und Videoschnipsel in der ganzen Welt verbreitet und die Akkus der Smartphones müssen bei diesem Dauerbetrieb tausendfach geladen werden. Ob das wichtig ist oder nicht, braucht man nicht zu diskutieren, es besteht Handlungsbedarf – fertig. Was sich übrigens nicht geändert hat: Das Urheberrecht. Grundsätzlich darf nämlich niemand Videoaufnahmen der Bands erstellen und noch dazu im Internet verbreiten.  Dafür gibt es die Presseleute, deren Job das ist. Aber….wo kein Kläger, da kein Richter.

Früher war alles besser – oder doch nicht?

Vor 30 Jahren…..da gab es kein Twitter, Instagram, Youtube…gab es da überhaupt schon Internet? Ich kann mich kaum erinnern……1990: Mitten im Studium schrieb ich meine erste Hausarbeit auf einem Computer, versuchte mich verzweifelt in das damalige sehr statische Internet einzuloggen und war froh darüber, wenn eine Email auch den Empfänger erreichte. Eine Bandrecherche im Internet brauchte man nicht einmal anzudenken, zu sehr waren fast ausschließlich große Firmen im WWW präsent. Und der Berufswunsch „Youtuber“ bzw. „Influencer“ – damals kein Begriff. Heute finden wir mit dem „Dunklen Parabelritter“ einen eigenen Metal-Youtuber in der Menschenmenge.

Auf dem W.O.A.-Gelände konnte man sich jetzt entgegen manch anderer Meinung davon überzeugen, dass die Arbeit eines Youtubers in der heutigen Zeit durchaus als Arbeit zu definieren ist. 3 oder 4 Mitarbeiter begleiteten den Heavy-Metal-Youtuber über das Festivalgelände und sorgen dafür, dass bei Bild und Ton alles stimmt. Die Fans danken es mit 6stelligen Aufrufen (Beispiel: Wacken 2017 Zusammenfassung: 265.000x). Der „dunkle Parabelritter“ alias Alexander Prinz bedient rund 150.000 Abonnenten und kann mit zweistellig millionenfach gesehenen Beiträgen punkten. Auf die Frage, warum das erfolgreich ist, entgegnet er, dass die Jugend zunehmend Gefallen an Heavy Metal findet und dass auch die Jugend zunehmend Interesse daran hat, per Youtube über Heavy Metal zu berichten. (siehe auch hier).

Web 2.0 – auch in Wacken

Soziale Netzwerke gibt es etwa seit 2003, das ist der Beginn des Web 2.0 – des „Mitmach-Internets“, das W.O.A. war zu dieser Zeit 13 Jahre alt. Ab dieser Zeit konnte jeder das Internet mitgestalten und eigene Beiträge erstellen. 2018 ist sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, beim Wacken Open Air kann man diese Veränderungen aber auch sehr deutlich spüren. Insbesondere, wenn man mit alteingesessenen Fans wie Volker (51) spricht. Seit 20 Jahren ist er jedes Mal dabei, hat selbst als Drummer in einer Metalband gespielt und beschäftigt sich jetzt beruflich mit Solarenergie. 2018 trifft er auf eine ESL-Arena (hier werden elektronische Spiele gespielt), den Parabelritter und, wenn er sein Smartphone herausholt, natürlich auf Unmengen von brandaktuellen Fotos auf Instagram & Co. Passt das zu Wacken? Ja und nein: apokalyptische oder einfach nur Fantasywelten finden sich auf den Covern der Bands, in Liedtexten, in der musikalischen Darbietung auf Fanshirts aber auch auf den Bühnen (Stichwort Wasteland) und in digitalen Spielewelten.

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Der Autor mit Darstellerinnen der Wasteland-Szenerie – erinnert stark an apokalyptische Szenen aus Mad Max & Co

Das ein oder andere Intro erinnerte durchaus an die Spielmusik in „League of legends“.  Auf der Wackingerstage konnte man sich dementsprechend wunderbar davon überzeugen, dass Fantasywelten und Kostüme auf und vor der Bühne gelebt werden.

Full metal gaming

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Full Metal Gaming beim Wacken Open Air

 

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2018 wird beim Full metal gaming auch auf dem W.O.A.-Festivalgelände auf mehr als 1800 Quadratmetern die Option geboten, beliebte Spiele wie “Rocket league”, „League of legends“ oder „PUBG“ zu spielen. Profis der Electronic sports league spielen vor Publikum gegeneinander, Bands und Bandmitglieder werden in das Programm eingebunden. Trotz der Tatsache, dass viele ältere Fans dies als zu starke Kommerzialisierung  wahrnehmen und den vormals erlebten Festivalcharakter schwinden sehen, berücksichtigen andere, dass wir uns im Jahr 2018 befinden. Eine solche Entwicklung wird im Gegensatz zur Kommerzialisierungsmeinung von vielen Fans auch als zeitgemäß wahrgenommen.

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Smartphones ohne Ende – kostenlose Werbung für die Bands und natürlich sekundenschnelle & weltweite Verbreitung. Ohne, dass man dafür Geld bezahlen muss – 2018.
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Live-Auftritt der Band Oomph! – da steht doch tatsächlich ein Bekannter aus meiner Schulzeit auf der Bühne. Gruß an Rene B.
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Zombieapokalypse am Abend. Die vielen Lichteffekte ergaben in Kombination mit dem diesjährigen Sommerstaub eine teilweise schaurige Kulisse.

Dass die Generation 50 hier nicht großartig vertreten war, ist nicht verwunderlich. Noch 10 Jahre und diese Fangruppe geht in „Pension“ – also Zielgruppe möglicherweise verfehlt, aber verschmerzbar. Ach so, auch die alteingesessenen und genreprägenden Bands wie Danzig, Stiff little Fingers oder Judas Priest kommen in die Jahre, man darf gespannt sein auf die Zukunft. Die nächste Generation jedenfalls war begeistert und nutzte auch die Konzertpausen vielfach, um in der Gaming-Arena einen Moment zu entspannen. Daniel (29): „Super geil, das sollte man in andere Festivals auch einbinden“. Was einigen Fans gefehlt hatte, war die Option, den nicht nur bei der ganz jungen Generation beliebten Mehrspielershooter im Comicstyle „Fortnite“ von Epic Games zu spielen. Die ausgewählten und vor Ort präsenten Games sind populär und beliebt, allerdings sind nicht alle Spiele deutliche Trendsetter gewesen. Vielleicht sollte man in der Community genauer hinschauen und Trends noch deutlicher erkennen. League of Legends (USK 12) beispielsweise ist mittlerweile schon über 9 Jahre alt. Der Mehrspieler-Shooter PUBG (USK 18) dagegen entspricht vom Spielablauf her dem vorhin angemerkten „Fortnite“ (USK ausstehend – vermutlich im Bereich von 12 bis 16 Jahren).  In einem Bus oder Flugzeug abspringen, auf einer Insel landen und überleben. Allen Titeln gemeinsam ist eine Verbreitung über die ganze Welt und die Möglichkeit mit anderen Spielern aus der ganzen Welt mit- oder gegeneinander zu spielen.

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Toller Schnappschuss von MIHO – Bassistin und Bandleaderin von “Lovebites” aus Japan – astreiner Power-Metal der 2016 gegründeten Mädchenmetalband im Coss-Playstyle
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“Lovebites” aus Japan – astreiner Power-Metal der 2016 gegründeten Mädchenmetalband im Coss-Playstyle
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Spaß im Publikum kam von der us-amerikanischen Glam-Metal-Band Steel Panther – sehr witzig. Die Fans waren teilweise als Superhelden verkleidet (Marvel lässt grüßen)

Musik bleibt im Zentrum

Beim Wacken 2018, das stellen die Verantwortlichen deutlich heraus, bleibt die Musik aber im Zentrum des Festivals. Aber Überschneidungen finden sich schon jetzt: Neben Bands aus Asien wie die Vertreter der „female“ Metalszene in Japan „Lovebites“, die optisch in die bei Jugendlichen beliebten Coss-Play-Szene passen, musikalisch jedoch ganz klar Heavy-Metal-Fans zufrieden stellen, konnte man sich sehr vielseitig musikalisch beeindrucken lassen. Das Spektrum reichte dabei von Steel Panther bis Feuerschwanz, von Cannibal Corps bis Otto und die Friesenjungs. Wacken 2018 – mal wieder ein Genuss. Früher war auch nicht alles besser, aber irgendwie anders. Aber wir tanzen ja auch nicht mehr um das Feuer herum.

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Spoilengine aus Belgien mit starker Frontfrau
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Starker Auftritt – Alissa White-Gluz mit ihrer Band Arch enemy
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Nein, das ist kein Feuer – Wacken 2018 bedeutete auch viel Sonne, viel Staub und hohe Temperaturen.
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Toxic Holocaust – trash-metal mit viel Feuer

Beeindruckende Fakten zum Wacken Open Air 2018:

INFRASTRUKTUR

  • Größe des Festivalgeländes: 280 Hektar
  • Besucher: 75.000
  • 45 Kilometer beplanter und gestellter Bauzaun
  • 850 Mobiltoiletten (plus 200 Metal-Mobile-WCs)
  • 410 Einheiten wassergespülte Toiletten
  • 300 Urinalplätze
  • 200 Miet-WCs
  • 9 Behinderten-gerechte WC-Container
  • 5 Behinderten-gerechte Duscheinheiten
  • 448 Duscheinheiten
  • 420 Waschplätze
  • 40 Trinkwasserstationen
  • 600 Tonnen Müll
  • Stromleistung: 12 Megawatt (entspricht dem Bedarf einer Kreisstadt mit ca. 70.000 Einwohnern)
  • aus ökologischen Gründen sind 4 Kilometer Leistungskabelverlegt (dadurch werden 98 Dieselaggregate gespart)
  • zusätzlich zum Feststrom werden weitere 40 Dieselaggregate benötigt
  • 6 Kilometer flexible Stromleitungen werden benötigt (dazu sind 280 Verteilerkästen aufgebaut)
  • 100 Food- und 100 Gastronomiestände
  • 300 Non-Food-Stände
  • Bierumsatz: VIEL
  • 1.000 LKWs mit Material
  • 75 Sattelzüge Bühnenmaterial (entspricht 1.000 Tonnen)
  • 10 Sattelzüge Tontechnik
  • 20 Sattelzüge Lichttechnik
  • Bühnenaufbau: 7 Tage
  • Bühnenabbau: 5 Tage
  • 10 Kilometer mobile Schwerlaststraße
  • 350 Container-Einheiten
  • 300 Zelte & Pagoden
  • 1 Km Bierpipeline

MITARBEITER

  • insgesamt 5.000 Mitarbeiter
  • 25 Elektriker
  • 40 Site-Crew
  • 15 Personen Wasserversorgung
  • 1800 Securitys und Ordner
  • 150 Reiniger
  • 70 Auf- / Abbauhelfer
  • 400 Polizisten täglich
  • 250 Feuerwehrleute täglich
  • 900 Sanitäter täglich
  • 6 Notärzte (Tag und Nacht je 3)
  • 50 Behördenvertreter
  • Über 190 Bands (ca. 1.300 Personen) auf 8 Bühnen

FUHRPARK

  • 30 geländegängige Pritschenfahrzeuge
  • 40 Geländewagen
  • 75 Stapler
  • 30 Shuttlefahrzeuge
  • 40 Quads
  • 40 Motorroller
  • 60 Fahrräder

Mehr Infos unter www.wacken.com

Hinweis: Das Wacken Open Air (W.O.A) findet auch 2019 statt – zum 30jährigen Jubiläum darf man auf einige Überraschungen gespannt sein.

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